Über 15 Meter hoher, klastischer Vertikalgang im Hochgeländ bei Biberach an der Riß bildete sich durch ein gewaltiges, miozänes Erdbeben

In: Sedimentary Geology Volume 398 (2020)

Im oberschwäbischen Teil des Nordalpinen Vorlandbeckens konnte innerhalb der sandigen Fazies der mittelmiozänen Oberen Süßwassermolasse (sog. „Fluviatile Untere Serie“; Alter etwa 17,1-14,5 Millionen Jahre) im Sommer 2019 ein mindestens 15 m hoher und horizontal mindestens 17 m langer, klastischer Gang (englisch „clastic dyke“) im Gebiet des Hochgeländs südlich von Biberach an der Riß entdeckt werden. Diese Sedimentstruktur bildete sich durch Verflüssigung unverfestigter und Grundwasser-gesättigter Sande und Mergel, deren mobilisiertes Sedimentmaterial (Ton, Schluff, Sand bis Feinkies) nachfolgend in darüber liegende, trockene Ablagerungen der Oberen Süßwassermolasse eingepresst wurde. Dieser Vorgang verlief zeitgleich mit der Öffnung von Spalten im überlagernden Tertiär-Sediment als Resultat starker seismischer Erschütterungen, die von einem mächtigen Erdbeben ausgelöst wurden. Der klastische Gang kann demnach als sog. „Seismit“ interpretiert werden. Er durchschlägt einen Horizont distaler Ries-Auswürflinge („Biberacher Brockhorizont“), der vor rund 14,8 Millionen Jahren im Zuge des Nördlinger-Ries-Impakts abgelagert wurde und ist damit etwas jünger als das Ries-Ereignis. Das miozäne, seismische Starkbeben könnte durch alpine Tektonik, vulkanische Aktivität im Umfeld der Europäischen Vulkanprovinz oder durch einen zweiten miozänen Meteoriteneinschlag verursacht worden sein. Der phreatomagmatische Vulkanismus des Urach-Kirchheim-Gebiets verursachte aber nur relativ schwache Erdbeben und Seismitbildungen durch alpine Tektonik sind nur bis zum Südrand des Nordalpinen Vorlandbeckens bekannt. Die drei Autoren Volker J. Sach, Elmar Buchner und Martin Schmieder schließen daher, dass wohl das Impakt-Ereignis im Steinheimer Becken (eine etwa 4 Kilometer durchmessende Kraterstruktur auf der Ostalb bei Heidenheim an der Brenz) das betreffende Starkbeben und die markante Erdbebenspalte im Hochgeländ bei Biberach an der Riß ausgelöst hat. Mit den neuen Geländebefunden und der vom Autorenteam bevorzugten Interpretation dürfte der Steinheimer Meteoriteneinschlag also etwas jünger sein (wohl ein paar 100.000 Jahre jünger) als das Nördlinger-Ries-Ereignis.

Erdbebenspalte im Hochgeländ nahe südlich von Biberach. Foto: Volker J. Sach (Fokus Natur, Ochsenhausen) Erdbebenspalte im Hochgeländ nahe südlich von Biberach. Foto: Volker J. Sach (Fokus Natur, Ochsenhausen) Erdbebenspalte im Hochgeländ nahe südlich von Biberach. Foto: Volker J. Sach (Fokus Natur, Ochsenhausen)

Erdbebenspalte im Hochgeländ nahe südlich von Biberach. Foto: Volker J. Sach (Fokus Natur, Ochsenhausen)

Abb.:
Die im Sommer 2019 entdeckte, von Sach, Buchner und Schmieder beschriebene Erdbebenspalte („Biberach clastic dyke“) im Hochgeländ nahe südlich von Biberach an der Riß. Die aufgeschlossene, minimale Höhe des Vertikalgangs beträgt 15 Meter, die horizontale Länge mindestens 17 Meter. Verursacht wurde diese  Großstrukur durch ein sehr starkes Erdbeben-Ereignis während der Miozän-Zeit. Fotos: Volker J. Sach (Fokus Natur, Ochsenhausen).

Quelle:
Volker J. Sach, Elmar Buchner & Martin Schmieder (2020). Enigmatic earthquake-generated large-scale clastic dyke in the Biberach area (SW Germany) Sedimentary Geology Volume 398, 105571. - https://doi.org/10.1016/j.sedgeo.2019.105571 - 0037-0738/© 2019 Elsevier B.V. All rights reserved.


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